Kinder für die digitale Welt fit machen

Dr. Maike Scherrer ist Professorin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) mit dem Schwerpunkt auf nachhaltiges Supply Chain Management & nachhaltiger Mobilität.

Neben ihrer Tätigkeit als Professorin in Winterthur bekleidet sie seit 2014 das Amt der Schulpräsidentin der Volksschulgemeinde Nollen. Wir sprachen mit ihr über ihr Engagement als Schulpräsidentin und den Herausforderungen für die Schule durch die digitale Transformation.

IT-Ausstattung & digitale Medien

Mit der Umsetzung des Lehrplanes Volksschule Thurgau 2016-2020 waren die Volksschulen stark gefordert, u.a. sah dieser eine durchgehende IT-Ausstattung der Schülerinnen und Schüler vor. Seit 2021 ist eine 1:1 Ausstattung ab der 5. Klasse geschafft. Für jedes Kind steht ein Laptop oder Tablet bereit. Die Arbeitsblätter stehen digital zur Verfügung und die digitalen Medien sind verstärkt in den Unterricht integriert. Fünf Pilotschulen werden im Kanton Thurgau bei der Implementierung eines Makerspaces gefördert. Im Makerspace recherchieren die Kinder im Internet zu einem Thema der Natur oder Technik. Sie zeigen das Problem auf, fassen die Informationen zusammen und finden selbständig einen Lösungsweg, den sie auf dem Whiteboard oder Tablet darstellen. Maike Scherrer begrüsst den Umgang mit digitalen Medien und Tools: „Selbstständig losschaffen und sich Informationen besorgen ist ein Mehrwert. Der Lernfortschritt kann gut mit digitalen Medien angereichert werden.“ Sie gibt aber zu bedenken, dass der Umgang mit digitalen Medien auch kritisch gesehen werden muss. „Die Schule muss den Kindern beibringen, die Medien mit Verstand zu konsumieren und zu erkennen, was Fake News sind. Der Schule kommt die Aufgabe zu, die Kinder für die digitale Welt fit zu machen.“

Den Erwartungen der Eltern gerecht werden

In einer Umfrage wurden die Eltern gefragt, was sie von ihrer Schule erwarten. „Hier kam heraus, dass sich die Eltern einen sowohl analogen, wie auch digitalen Unterricht wünschen. Unterricht sollte nicht zu sehr digital verliebt sein. Die Schule sollte die digitalen Medien als Hilfsmittel nutzen, dabei aber nicht vergessen, auch raus in die Natur zu gehen und diese mit allen Sinnen zu erleben. Die Elternschaft erwartet, dass die Kinder eine Handschrift haben und lernen, mit der Digitalisierung reflektiert umzugehen. Wir als Schule sind somit gefragt, die digitalen Möglichkeiten einzuführen und zu nutzen, wo es Sinn macht für den Lernerfolg. Die digitalen Medien verändern die Tatsache nicht, dass der Lernerfolg der Kinder mit der persönlichen Beziehung zur Lehrperson steht und fällt. In Studien wurde zusätzlich gezeigt, dass im Vergleich zu analogen Medien über digitale Medien weniger Wissen beim Lesen und Bearbeiten von Texten und Aufgaben absorbiert werden kann.“

Lehrpersonal adäquat einbeziehen

Maike Scherrer stellt fest: „Es gibt unterschiedlich digital affine Lehrerinnen und Lehrer. Deshalb diskutieren wir vor der Einführung von Hardware und dem Einsatz von Digitalisierung im Unterricht, welche Lehrpersonen wie stark in den Digitalisierungsprozess an der Schule einzubeziehen sind und wo digitale Tools Sinn machen. Der Handarbeitsunterricht ist beispielsweise weniger von der Digitalisierung betroffen. Anschliessend schauen wir, welche Weiterbildungen es braucht und suchen den konstruktiven Dialog mit der Lehrerschaft, um ihre Arbeit in der Schule digital zu unterstützen.“ Maike Scherrer sieht sich selbst als Befähigerin und Ansprechpartnerin für die Digitalisierung an Schulen. Für und mit dem Lehrpersonal möchte sie ein Umfeld schaffen, in dem die Lehrpersonen mit digitalen Tools gut arbeiten können.

Finanzielle Unterstützung für Schulen & IT-Beschaffungsstelle zum Leasing der Geräte

Wünschenswert wäre nach Maike Scherrer, wenn die Schulen mehr finanzielle Unterstützung für die Einstellung von ICT-Fachpersonal bekämen. Denn die ICT-Fachpersonen sind nicht nur schwer zu finden, sondern belasten – zusätzlich zu den Kosten für IT-Infrastruktur & Wartung – das Budget einer Schule. Ferner spricht sich Maike Scherrer für eine gemeinsame Beschaffungsstelle der Schulen im Kanton aus, gerade bei IT-Dingen. „Eine professionelle Stelle, die evaluiert, welche Hardware mit welcher Ausstattung wie z.B. Grafikkarte oder Kamera für die Schulstufe sinnvoll ist, wäre wünschenswert. Heute muss jede Schule den Auswahl- und Beschaffungsprozess von neuen Geräten selber bewerkstelligen. Diese Aufgabe kommt auf Schulen alle vier Jahre zu, wenn die aktuellen Geräte ersetzt werden müssen. Zielführend wäre für uns, wenn wir gemeinsam ein Leasing aufbauen könnten, wie dies auch bei den Hochschulen und Gemeinden gemacht wird. Dann müsste nicht jeder einzelne Schule ihr ICT Wissen aufbauen oder Beratungsdienstleistungen für die Unterstützung des ICT Beschaffungsprozesses einkaufen. Auf den ganzen Kanton gesehen ist dies teuer und nicht sehr effizient.“

Verein Smarter Thurgau

„Ich finde gut, dass sich der Verein Smarter Thurgau vielen Themen widmet. Mit dem Verein können Zuständigkeiten überbrückt werden. Der Verein ist eine Art neutrale Stelle, die nicht in den alten, gestandenen Strukturen drin ist. Man trifft sich losgelöst von den Zuständigkeiten und kann anhand des Themas Lösungen finden. Beispielsweise beim Datenschutz, hier haben der Smarte Thurgau zusammen mit dem Amt für Volksschulen, dem Vorstand der Thurgauer Schulgemeinden und weiteren Akteuren das Thema aufgenommen und wir sind es zusammen angegangen. Oder auch zum Erstellen eines pädagogischen und technischen Konzeptes nahm der Verein eine neutrale Position ein. Zu Beginn der Umsetzung des Lehrplans Volksschule Thurgau hat jede Schule für sich diese Konzepte erstellt. Mit dem Verein und weiteren 25 Akteuren, wie der Pädagogischen Hochschule, dem Amt für Informatik, den Schulleitern und Lehrpersonen und der EKT AG haben wir uns zusammengesetzt. Dank der neutralen Position des Vereins konnte in einem neutralen Umfeld gearbeitet und gemeinsame Lösungen entwickelt werden.“

Werde auch Smart!

Willst du immer auf dem aktuellsten Stand sein? Über die Entwicklungen rund um den Verein informiert werden? Oder das Geschehen selber mitgestalten?
Werde Mitglied vom Verein!